Uploadfilter: Alles Wissenswerte zur Urheberrechtsreform
2021 trat in Deutschland eine der umstrittensten Reformen der letzten Jahre in Kraft: Die Urheberrechtsreform, in deren Zentrum der viel diskutierte Upload-Filter steht. In diesem Artikel haben wir alles Wissenswerte zu der Reform und welche Regeln Sie in Ihrem Business künftig beachten müssen, zusammengefasst.
Uploadfilter sorgen für Ärger
Polen scheiterte im April 2022 mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH): Die polnische Regierung wollte Artikel 17 der EU-Richtlinie 2019/790 für nichtig erklären, da er die freie Meinungsäußerung verletze. Der EuGH wies die Klage aber ab und verwies darauf, dass die Regelung angemessene Garantien vorsehe, mit der das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit gewahrt bleibe. Damit bestätigt der EuGH nicht nur die Rechtmäßigkeit der Uploadfilter, sondern auch der Urheberrechtsreform.
Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz: Mehr Rechte für Urheber:innen
2021 traten die in der EU-Urheberrechtsreform festgehaltenen Änderungen auch auf Landesebene in Kraft. Das Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) bildet nun die rechtliche Grundlage für die neuen Regelungen, darunter auch die viel diskutierten Uploadfilter. Hier ist zunächst wichtig zu wissen, worum es bei der Reform überhaupt geht: Plattformen, auf denen Inhalte wie Videos, Bilder und/oder Ton (etwa Musik oder Podcasts) hochgeladen werden können, sollen mehr in die Verantwortung genommen werden. Das betrifft alle Social-Media-Netzwerke wie Facebook, Twitter, Instagram oder TikTok, aber auch Video-Plattformen wie YouTube oder Vimeo oder auch Streaming-Plattformen.
Vor der Reform war es so, dass die Anbieter:innen der sogenannten Upload-Plattformen erst tätig werden mussten, wenn ihnen eine Rechtsverletzung gemeldet wurde. Für viele Kreative wie Musiker:innen, Schauspieler:innen, Zeichner:innen oder Video-Produzent:innen kam das aber einem Kampf gegen Windmühlen gleich, denn: Oft wurden die Inhalte dann wieder über einen anderen Account hochgeladen und mussten erneut gemeldet werden und so weiter… Mit Inkrafttreten der Reform ist es jetzt so, dass Upload-Plattformen für die hochgeladenen Inhalte unmittelbar verantwortlich sind. Das bedeutet: Sie müssen für verbreitete Drittinhalte der Nutzer:innen künftig Lizenzen erwerben und durch den ergänzenden Direktvergütungsanspruch gegenüber den Plattformen werden die Urheber:innen der Inhalte an den Lizenzeinnahmen beteiligt.
Uploadfilter: Die große Zensur des Internets?
Außerdem sind die Upload-Plattformen jetzt auch für die hochgeladenen Inhalte der Nutzer:innen mitverantwortlich. So müssen sie Uploads auf der Rechteinhaberin oder des Rechteinhabers nachträglich entfernen – und zusätzlich Mechanismen schaffen, die dafür sorgen, dass die Inhalte gar nicht erst auf der Plattform veröffentlicht werden. Genau hier kommen die umstrittenen Uploadfilter ins Spiel. Diese sind automatisierte Programme, die Inhalte vor dem Upload auf mögliche Urheberrechtsverletzungen scannen und unter Umständen direkt blockieren. Die große Angst der Gegner:innen der Uploadfilter war nun, dass durch diese eine massive Zensur stattfinden würde, da unter Umständen zu großzügig blockiert werden könnte. Bisher blieb dieses befürchtete Szenario aber aus.
Ausnahme für Start-ups und kleine Dienstanbieter:innen
Die Verpflichtungen der nach dem UrhDaG vorgesehenen Verfahren gehen mit großen wirtschaftlichen Investitionen einher – deshalb hat der Gesetzgeber einige Ausnahmen geschaffen.
- Start-up-Dienstanbieter:innen: Unternehmen, die weniger als drei Jahre alt sind, weniger als 10 Millionen Euro Umsatz in der EU verbuchen können und weniger als fünf Millionen Besucher:innen pro Monat auf ihrer Plattform verzeichnen, müssen keine Uploadfilter einführen (§§ 2 Abs. 2, 7 Abs. 4 UrhDaG).
- Kleine Dienstanbieter:innen: Ebenfalls ausgenommen von der Pflicht, Uploadfilter einzuführen, sind Unternehmen, deren Umsatz weniger als eine Million Euro innerhalb der EU beträgt. Das gilt unabhängig von der Zahl der Besucher:innen auf der Plattform. (§§ 2 Abs. 3, 7 Abs. 5 UrhDaG).
Zusätzlich dazu sind auch einige Onlineangebote von der Uploadfilter-Pflicht ausgeschlossen, dazu gehören:
- Nicht-gewinnorientierte Online-Enzyklopädien wie zum Beispiel Wikipedia
- Nicht-gewinnorientierte bildungsbezogene oder wissenschaftliche Repositorien wie zum Beispiel Universitätsarchive
- Entwicklungs- und Weitergabe-Plattformen für Open-Source-Software wie etwa GitHub
- Online-Marktplätze wie Ebay, Etsy und so weiter
- Messenger und elektronische Kommunikationsdienste wie WhatsApp
- Cloud-Speicher-Dienste für den unternehmerischen oder privaten Gebrauch wie beispielsweise Dropbox, Microsoft oder Google Cloud.
Uploadfilter: So funktioniert die Inhaltskontrolle
Laut dem UrhDaG müssen die Anbieter:innen von Upload-Plattformen „bestmögliche Anstrengungen“ unternehmen, um Verstöße gegen das Urheberrecht schon beim Hochladen der Inhalte zu verhindern. Dazu gibt es folgende Verfahren:
Pre-Flagging
Das erlaubt Nutzer:innen schon beim Upload fremder Inhalte, auf welcher Grundlage diese verwendet werden (zum Beispiel: Zitat, Pastiche (siehe auch Ausnahmen) oder erworbene Lizenz).
Prüfung auf fremde Inhalte
Wenn die Rechteinhaber:innen der jeweiligen Plattform Inhalte zum Abgleich bereitstellen, prüft die Plattform, ob der Upload eines:r Nutzer:in diese Inhalte enthält (zum Beispiel: Musik, Bilder oder Videomaterial).
Prüfung der Veröffentlichungsberechtigung
Hierbei prüft die Plattform, ob die hochgeladenen Inhalte eine der folgenden Kriterien erfüllen:
- Plattform besitzt eine Lizenz: Hier überprüft die Plattform, ob sie selbst eine Lizenz zur Nutzung der Inhalte besitzt und ob die Nutzer:innen sich auf diese Lizenz berufen können.
- Kennzeichnung als Zitat, Pastiche oder Lizenz: Haben die Nutzer:innen die Verwendung des urheberrechtlich geschützten Materials als Zitat, Pastiche oder Veröffentlichung mit erworbener Lizenz gekennzeichnet, darf der Upload veröffentlicht werden.
- Geringfügige nicht-kommerzielle Nutzung: Dies stellt eine Ausnahme dar und gilt für alle Uploads, die fremde Inhalte enthalten, die bestimmte Kriterien erfüllen (siehe Ausnahmen).
Blockierung des Uploads:
Enthält das hochgeladene Material Inhalte, die aufgrund fremder Inhalte nicht veröffentlicht werden darf, blockiert die Plattform den Upload und informiert die Nutzer:innen. Diese können Beschwerde einlegen und müssen dann begründen, warum der Upload doch erfolgen dürfe.
Veröffentlichung des Uploads:
Die Inhalte werden aufgrund der Angaben der Nutzer:innen veröffentlicht – gleichzeitig werden die Rechteinhaber:innen darüber informiert. Sie können anschließend ein Beschwerdeverfahren beginnen und die nachträgliche Blockierung beziehungsweise Offlinenahme des Inhalts verlangen.
Uploadfilter: Diese neuen Regeln müssen Nutzer:innen beachten
Wer urheberrechtlich geschützte Werke nutzen will – egal ob Videos, Bilder, Musik oder Textauszüge, sollte in jedem Fall eine Lizenz bei den Rechteinhaber:innen – oder sofern möglich über die jeweilige Plattform – erwerben. Allerdings gibt es bestimmte Kriterien, bei denen Ausnahmen für den Upload bestehen.
Alles was Sie generell bei der Nutzung von Bildern beachten sollten, haben wir in diesem Artikel für Sie zusammengefasst: Bilder rechtssicher verwenden: Alle Infos im Überblick
Ausnahme 1: Inhalte mit geringfügiger Nutzung
Wichtig ist hier: Diese Ausnahme für Inhalte mit „geringfügiger Nutzung“ gilt nur im Fall einer nicht kommerziellen Nutzung. Sie dürfen die Inhalte also nicht zur Bewerbung Ihrer Produkte, beispielsweise in einem Werbeclip oder Poster, verwenden.
Als geringfügig gelten:
- 15 Sekunden aus einem Video oder Musikstück.
- 165 Zeichen bei Texten.
- 125 KB bei Bildern.
Achtung: Selbst wenn die genannten Längen- beziehungsweise Größenvoraussetzungen eingehalten werden, gilt die Nutzung in folgenden Fällen nicht als geringfügig:
- Nutzung von mehr als 50 Prozent des ursprünglichen Werks.
- Es handelt sich um eine Aufnahme von einer noch laufenden Filmpremiere oder Live-Sportveranstaltung.
- Verwendung des Uploads zu kommerziellen Zwecken
Wichtig ist auch: Diese Ausnahmen begründen jedoch nur die Vermutung, dass es sich um einen zulässigen Upload handelt. Die Plattform wird dennoch in jedem Fall die Rechteinhaber:innen informieren. Diese können von den Nutzer:innen über ein Beschwerdeverfahren dann einen Nachweis verlangen, der die Zulässigkeit der Nutzung belegt (zum Beispiel bestehende Lizenz oder Zitat).
Ausnahme 2: Zitate, Karikaturen, Pastiche, Memes
Die zweite Ausnahme ist weitreichender, denn sie gilt sowohl bei privater, als auch kommerzieller Nutzung, und zwar für folgende Inhalte:
- Zitate (§ 51 UrhG).
- Karikaturen, Parodien und Pastiche (neu im § 51a UrhG)
- Andere Erlaubnisse nach Teil 1 Abschnitt 6 des UrhG (z.B. unwesentliche Beiwerke, wie Musik, die im Rahmen eines Außendrehs im Hintergrund hörbar ist).
Nach welchen Kriterien das im Urheberrechtsgesetz festgelegte Zitatrecht gilt, haben wir in folgendem Artikel ausführlich zusammengefasst: Was beim Zitieren erlaubt ist und was nicht
Parodien, Karikaturen, Pastiche und Memes
Damit die genutzten Inhalte als Parodie beziehungsweise Karikatur zulässig sind, müssen sie folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Wahrnehmbare Unterschiede zum parodierten Werk: Es müssen wahrnehmbare Unterschiede zum parodierten Werk bestehen. Das bedeutet, das ursprüngliche Werk muss verändert sein, beispielsweise durch Kommentierung, grafische Änderungen, textliche Ergänzungen und so weiter.
- Inhaltliche oder kulturelle Auseinandersetzung: Zwar müssen keine künstlerischen oder literarischen Ansprüche erfüllt werden, aber das veränderte Werk sollte generell Humor oder Verspottung oder Kritik zum Ausdruck bringen.
Pastiche
Die Pastiche-Regelung ist neu im Urheberrechtsgesetz verankert und soll Inhalte wie Remixes, Memes, Cosplays und ähnliche benutzergenerierte Inhalte abdecken. Wer also Memes mit geschützten Inhalten erstellt oder Cosplay-Künstler:in ist, darf die Inhalte frei verwenden und auf Upload-Plattformen veröffentlichen.
Übersicht rund um die Entwicklungen zur Urheberrechtsreform:
21.06.2021: Reform des Urheberrechts tritt in Kraft
Nach der Zustimmung der Mitgliedsstaaten zur EU-Urheberrechtsreform tritt nun auch die Reform des deutschen Urheberrechts in Kraft.
16.04.2019: EU-Mitgliedstaaten besiegeln die Urheberrechtsreform
Nach dem EU-Parlament haben jetzt auch die Mitgliedstaaten wie erwartet der EU-Urheberrechtsreform zugestimmt (darunter auch Deutschland). Damit kann die Reform nun nicht mehr gestoppt werden. Jetzt müssen die einzelnen Mitgliedstaaten die Vorgaben der Richtlinie national umsetzen. Die Bundesregierung hat bei der EU eine Protokollerklärung eingereicht, mit dem Ziel, den Uploadfilter „nach Möglichkeit“ zu verhindern. Inwieweit das gelingt und welche Regeln in Deutschland nach Umsetzung der Reform gelten werden, bleibt abzuwarten.
27.03.2019: Europaparlament stimmt für EU-Urheberrechtsreform
Trotz EU-weiter Proteste, mit Zehntausenden Teilnehmer:innen allein in Deutschland, hat das Europaparlament gestern der EU-Urheberrechtsreform zugestimmt, inklusive der umstrittenen Regelungen zu den Uploadfiltern und dem Leistungsschutzrecht. Jetzt müssen die Mitgliedstaaten der EU noch zustimmen, was jedoch als reine Formsache gilt. Danach müssen die EU-Länder die Richtlinie innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umsetzen. Da die einzelnen Länder dabei einen gewissen Interpretationsspielraum haben, besteht nun die letzte Hoffnung darin, dass Deutschland die Reform ohne Uploadfilter umsetzt bzw. die Regelungen lockert.
06.02.2019: Letzter Einigungsversuch
Nachdem es Ende Januar danach ausgesehen hatte, als wäre der umstrittene Filter vom Tisch, gibt es nun doch einen letzten Einigungsversuch, der – so die Befürchtungen – dazu führen könnte, dass der Uploadfilter sogar in verschärfter Form Pflicht wird. Laut einem Deal zwischen Deutschland und Frankreich, der am Montag bekannt wurde, müsste dann jede Plattform Uploadfilter installieren, wenn sie nicht diese drei Ausnahmen erfüllt: weniger als drei Jahre alt, weniger als 10 Millionen Euro Jahresumsatz und/oder weniger als fünf Millionen Nutzer:innen pro Monat.
Der optimale Schutz für Portalbetreiber und Kreative
Egal, ob Sie Produkte verkaufen oder Dienstleistungen anbieten: Um soziale Netzwerke kommt heute (fast) kein Business mehr herum. Aber auch bei der Veröffentlichung von Video-, Bild-, Text- oder Toninhalten auf Ihrer Webseite, Ihrer Online-Plattform oder Ihrem Onlineshop können Sie eine Urheberrechtsverletzung begehen, wenn Sie beispielsweise Inhalte veröffentlichen, für die Sie keine Lizenzrechte besitzen. Um in jedem Fall auf der sicheren Seite zu sein, empfiehlt sich daher eine gute Absicherung.
Für alle Plattform-Betreiber:innen ist diese Absicherung die Portal-Versicherung über exali.de, für Kreative und Agenturen die Media-Haftpflicht über exali.de. Diese Berufshaftpflichtversicherungen schützen zwar nicht vor Regelungen zum Urheberrecht, aber vor den finanziellen Folgen einer Urheberrechtsverletzung. Denn im Ernstfall prüft der Versicherer auf eigene Kosten, ob die Forderung berechtigt ist, und übernimmt eine berechtigte Schadenersatzzahlung.
Ehem. Online-Redakteurin
Daniela ist seit 2008 in den Bereichen (Online-)Redaktion, Social Media und Online-Marketing tätig. Bei exali kümmerte sie sich insbesondere um folgende Themen: Risiken durch digitale Plattformen und Social Media, Cyber-Gefahren für Freelancer:innen und Absicherung von IT-Risiken.
Neben Ihrer Tätigkeit als Online-Redakteurin bei exali arbeitet sie als freiberufliche Redakteurin und kennt daher die Herausforderungen der Selbständigkeit aus eigener Erfahrung.